Br. Jakobus aktuell - auch heute

Was ist es, liebe Leserin, lieber Leser, was ist es, was die Franziskanerbrüder bewog, diese Internetseite zu veröffentlichen? Was ist es, was uns hingehen lässt um sich mit einem Mann zu beschäftigen, der schon längst verstorben ist?

Nun, es bestreiten wohl nur wenige, dass auch heutige Menschen ihre Wurzeln kennen sollten, dass es gut ist, um die Geschichte zu wissen. Gerade wir in Deutschland mussten und müssen dies oft erfahren. Doch ist es wirklich nötig, jede Person aus der Vergangenheit auszugraben? Kann ein Mensch aus dem 19. Jahrhundert, des letzten Jahrtausends uns heute, in einer so schnelllebigen Zeit, noch etwas sagen? Wenn ja, was? Ich würde gerne mit Ihnen dieser Frage nachgehen.

Es wird zu Ihrer eigenen Erfahrung gehören, dass jeder und jede in erster Linie ein Kind seiner / ihrer Zeit ist; ich will sagen, dass wir, dass unser Denken, Handeln oder Nichthandeln wesentlich geprägt wird durch die jeweilige Umwelt, Gesellschaft, Zeitepoche… Möchte ich mein Gegenüber verstehen, so komme ich nicht umhin, gerade diese Aspekte bei ihm zu studieren. Freilich haben wir, wie Sie sich denken können, Bruder Jakobus Wirth in seinem damaligen Umfeld betrachtet. Die historische Forschung haben schon vor Jahren Rektor Jakob Backes und Sr. Maura Böckeler OSB vorangetrieben. Sie können diese Ergebnisse besonders in Backes’ „ Aus der Armut leben“ nachlesen.

Die Kunst ist es nun, oder sagen wir besser, unsere Aufgabe ist es, hier das heraus zu sieben, was zeitlos, was uns heute wertvoll sein kann. Es würde nicht nur Sie befremden, wenn ich hier das Buß- und Abtötungsverständnis der damaligen Zeit erörtern würde. Auch fällt es uns heute schwer, nur schon zu erahnen unter welch einfachen und unwürdigen Verhältnissen die Mehrzahl der Menschen in Deutschland gelebt hat.

Eine Aussage, die gerne von Br. Jakobus zitiert wird, lautet: „Gott baut sein Werk auf das Niedrige.“ Bruder Jakobus kommt zu dieser Aussage, als er rückblickend die schwierige Anfangszeit beschreibt. Für mich schwingt in diesem so leicht herzusagenden Wort viel Erfahrung mit. Sie wissen, und wenn nicht, so können Sie es in diesem Buch nachlesen, das unsere Ordensgemeinschaft, wie die meisten anderen auch,  nicht aus einer Initialzündung heraus entstanden ist. Vielmehr reifte sie erst im Herzen von Bruder Jakobus, dann in der visionären Lebens- und Arbeitsgemeinschaft von Handwerksburschen heran. In dieser langen Zeit, alles in allem waren es zwölf Jahre, muss ihn eine tiefe Erfahrung getragen haben, die sich in den schlichten Worten des eben genannten Zitates wieder findet.

Wagen sie doch mit mir den ersten Schritt in unbekannte Gewässer, auf unserer Expedition. Was sagt Bruder Jakobus hier? Sein erstes Wort ist „Gott“. Wir erfahren da, das für ihn Gott Eingang gefunden hat im Alltäglichen, dass er das konkrete Leben mit seinen kleinen Begebenheiten, Sorgen und Begegnungen unmittelbar mit dem göttlichen „Dasein“ aber auch dessen Heilsplan zusammenbringt. Denken Sie nicht auch, dass Jakobus Wirth hier etwas erreicht hat, was uns in der heutigen Zeit, die einige schon postchristlich nennen, weithin abhanden gekommen ist? Etwas, was wir zwar oft verloren, aber auch aufs Schmerzlichste vermissen. Es reicht, wenn ich eine Buchhandlung aufsuche und die Fülle religiöser Ratgeber und Begleiter betrachte. Anselm G. und Phil B. lassen grüßen.

Nun geht aber unser Zitat ja weiter, nach Gott kommt ein Verb. Unser Gott tut also was, er „baut“.  Bruder Jakobus sagt mir hier, dass er nicht an einen Gott der Toten oder einen in der weiten Ferne glaubt, sondern an einen, der handelt. Jakobus machte die Erfahrung, und hier greife ich etwas vor, des unmittelbaren und wunderbaren Handelns Gottes. Wir finden diese tiefe Erfahrung im Ausspruch Jakobus’: „Sie vertrauten, Gott würde es am Notwendigsten nicht fehlen lassen“. Ja, ich kann Ihnen versichern, in seiner Autobiografie beschreibt er diese Erfahrung immer wieder.

Bruder Jakobus muss ein feinfühliger Mensch gewesen sein, mit offenen und wachen Sinnen, die nicht nur offen und wach waren für die Mitmenschen in Not, sondern auch für Gottes „Unter-uns-sein“.

Faszinierend, was zwei kurze Worte so alles in sich bergen und über Jakobus Wirth erzählen.

Gott baut sein Werk, so lautet der erste Teil. Im Grunde vertieft sich hier, so weit ich sehen kann, das, was sich uns eben erschlossen hat. Der handelnde Gott ist auch ein verlässlicher Gott, denn er baut nicht mal hier, mal dort ein bisschen. Nicht ziel- und planlos, nein er baut an einem, an seinem Werk. Hören sie das Vertrauen heraus? Sagt Bruder Jakobus nichts anderes, als dass er sich im Plan Gottes weiß? Sein Tun, sein noch so kleines und wackelndes Werk, ist Teil eines viel größeren Heilsplanes. Vielleicht hilft Ihnen das bekannte Bild, welches Sr. Dorothea Steigerwald mit ihren bekannten Plastiken gerne aufgreift: „Das Kind geborgen in Gottes Hand“.

Jede Expedition bringt Anstrengung mit sich, ich darf Sie trösten, unsere geistige Akrobatik nimmt bald ein Ende. Noch bleibt uns der Schlussteil: „auf das Niedrige“. Es scheint fast, als wäre Bruder Jakobus unter die Immobilienmakler gegangen, er weiß also, wohin Gott sein Gebäude, sein Werk, stellt.

Ich kenne Ihre Erfahrungen nicht, doch sie mögen den meinen ähnlich sein. Ich kann sagen: Es stimmt, was hier steht. Wie oft entpuppt sich Unscheinbares als unverzichtbar und groß. Wer hätte gedacht, als vor  Jahren ein paar kleine Leute in der DDR sich zum Friedensgebet trafen, dass dann die Mauern fallen? Oder als italienische Gymnasiasten begannen Obdachlose zu speisen, das diese Bewegung heute Bürgerkriege beendet und Frieden stiftet, für Nationen zigmal so groß als ihre eigene Heimat?

Noch was drückt sich für mich im zweiten Teil des Zitates durch. Die entschiedene Wichtigkeit des Kleinen. Die klare Zuwendung zum angeblich Unbedeutenden, Neben-sächlichen, ohne Geld und Ansehen. Jakobus Wirth hat für mich den jesuanischen Weg sehr gut verstanden. Er hat die zentrale Zuwendung zum Kleinen eines Franz von Assisi in sein Leben integriert. Ja, wenn Gott sein Werk, wie Jakobus sagt, auf das Niedrige baut, dann, so denke ich, dürfen wir uns durchaus mit einem Mann beschäftigen, der längst von uns gegangen ist.

Unsere Expedition ist geglückt, abgeschlossen jedoch nicht. Ich bin mir sicher, bei unserem kurzen Versuch zwischen den Buchstaben zu lesen, sind Ihnen noch viel bessere und tiefere Gedanken gekommen. Das ist auch meine Einladung an alle: wagen Sie den Sprung hinter die Bilder und Texte, betrachten Sie dieses Buch als mehr denn nur historische Informationen. Auch wenn es anstrengender ist, als das übliche Betrachten, nur so hat Bruder Jakobus uns hier und heute auch wirklich etwas zu sagen.

Br. Michael FFSC 2005

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